Judith Gerlach spielt nicht nur mit ihrem Handy. Die Jüngste im Kabinett Söder II hat ein Ministerium aufzubauen. Ein Treffen im Bayerischen Landtag.
Von Leon Willner, München
Wer die Ministerin im Plenarsaal genauer beobachtet, wird feststellen, sie spielt auch mit ihrem Tablet. Wer generell genauer beobachtet, wird weiter feststellen, dass grob geschätzt drei Viertel aller Abgeordneten während einer Sitzung zärtlich über ihre Geräte streichen. Wer Judith Gerlach aber nur auf ihr Handy reduziert, tut ihr Unrecht.
Die 33-jährige aus Weibersbrunn bei Aschaffenburg war die große Überraschung in Markus Söders neuem Kabinett. „Der Anruf des Ministerpräsidenten kam auch im Interesse einer Verweiblichung und Verjüngung des Kabinetts, ganz klar“, sagt sie. Entscheidend sei für sie gewesen, dass Söder ihr zugestanden habe, „die freche Judith“ zu bleiben.
Als „Exotin im Kabinett“ sieht sie sich trotzdem nicht. Ihr Lebenslauf liest sich für eine CSU-Politikerin geradezu schulbuchmäßig. Als Kind ministriert Gerlach in der katholischen Gemeinde, mit 16 tritt sie in die Junge Union ein, 2013 ist sie 27-jährig die jüngste Abgeordnete im Landtag, noch jünger als Katharina Schulze von den Grünen. Schon ihr Großvater Paul war 18 Jahre Abgeordneter (1969 bis 1987 im Bundestag).
Judith Gerlach: „Ich bin keine Digital-Expertin“
Seit dem Amtseid im November 2018 führt sie ein Ministerium ohne genau bestimmten Zuständigkeitsbereich. Ein Ministerium, das bis vor sechs Monaten noch nicht einmal existierte. „Staatsministerium für Digitales“ steht jetzt auf einem schlichten Schild am Oskar-von-Miller-Ring in München, doch die Chefin ist weder für den Mobilfunk- noch für den Breitbandausbau zuständig.
„Das obliegt weiter dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium“, sagt Gerlach. „Mein Aufgabenbereich besteht darin, die Strategien und Konzepte dahinter zu entwickeln.“ Ein Bereich davon: „eGovernment“. Bayern will dadurch Amtsgänge zunehmend online abwickeln. In der Sitzung am Dienstag wird sich Söders Kabinett erstmals nur mit Digitalthemen befassen, jedes Ministerium soll Pläne und Konzepte vorlegen. Die Federführung hat: Gerlach.
„Ich bin keine Digital-Expertin“, sagte sie am ersten Amtstag in einem Radiointerview. Der Satz machte die Runde. In den ersten fünf Monaten habe sie nun Zeit gehabt, sich einzuarbeiten: „Ich bin Rechtsanwältin. Ich gehe die Dinge pragmatisch an.“ Den Aufbau des Ministeriums dokumentierte sie fein säuberlich in den sozialen Netzwerken. Dabei weiß Gerlach, wo ihre Vorbilder zu finden sind: „Die Doro Bär ist ja schon die Instagram-Queen“, sagt sie.
Zurück in der Sitzung des Landtags hebt sie nur einmal ihren Blick über den Bildschirmrand des Tablets hinaus. Joachim Herrmann hat den Raum betreten. Auf der Ministerbank hat er den Platz direkt neben ihr. Zur Begrüßung drückt Judith Gerlach ihm die Hand. Ihre Anrede an den Innenminister ist knapp: „Hi!“
Foto: Leon Willner
Der Artikel erschien am 01.04.2019 im Münchner Merkur.